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Im Lande der grossen (und kläffenden!) Hunde

Aktualisiert: 25. Jan. 2021

Auf dem Campingplatz von Guaramiranga gönnen wir uns zum ersten Mal seit wir in Brasilien sind einen Tag Ruhe. Wir sind erschöpft. Von den langen Busfahrten, von der tropischen Hitze, vom Grossstadtleben und der brasilianischen Kontaktfreudigkeit. Ich strecke mich auf dem Sofa der Veranda aus; lausche wie Regentropfen auf die Blätter des Jackfruitbaums neben uns klatschen und beobachte das Duzend Pfaue, das durch den Garten stolziert. Patrick sitzt neben mir und sortiert Fotos. Die angenehme Kühle der 900 Meter über Meer, die farbigen Blüten im satten Grün und das Vogelgezwitscher lässt uns die vergangenen Wochen Revue passieren. „Was war Gran Canaria für uns?“, frage ich Patrick. Uns fällt es nicht leicht, die Zeit auf der Insel zusammenzufassen. Vielleicht weil wir gar nicht nach Gran Canaria wollten. Sicherlich weil unsere Gedanken ununterbrochen um die Schiffssuche kreisten. Vor allem aber weil wir uns nie sicher waren, ob unser Effort unseren Reisevorstellungen genügt.


Nach sechs Tagen auf hoher See verliessen wir „Mukti“ mit Puddingbeinen und Vorfreude auf mehrtägige Wanderungen. Zum ersten Mal packten wir Rucksäcke auf unsere Rücken. Von den Dünen in Maspalomas wanderten wir durch Felsenlandschaften, Kamelfarmen und antike Grabstätten. In kleinen Bergdörfchen füllten wir unsere Vorräte wieder auf, kosteten den lokalen Wein und pflückten Orangen von den Bäumen. Vorbei an Wasserfällen und Nadelbäumen kletterten wir auf den höchsten Punkt der Insel - den Pico de las Nieves. In Puerto de Mogan erholten wir uns am Strand von unseren wunden Füssen. Las Palmas wartete mit wunderschönen Altstadtmärkten, Openair-Parties und vorweihnachtlichem Ambiente. Wir genossen es, unsere ehemalige Crew auf ein Bier zu treffen oder mit einem befreundeten dänischen Paar um die Häuser zu ziehen. Auf unseren Hafentouren bestaunten wir riesige Fischerboote aus Asien, fragten uns zu Mitfahrgelegenheiten auf Frachtern und Kreuzfahrtschiffen durch. Ohne Erfolg. In der Marina heuerten wir bei Seglern aus aller Welt an und hörten immer dasselbe: „Meldet euch in einer Woche nochmals!“, „Vielleicht haben wir noch Platz“ und „Falls unsere Crew wegen Covid nicht einreisen kann, melden wir uns“. Unsere letzte Hoffnung blieb schliesslich ein Pole.

Heilig Abend verbrachten wir in Galdar. Mit der Kleinstadtjugend tranken wir Rum, diskutierten über Surfstrände, Wanderungen und Reisen. Und als wir beschwipst ins Bett fallen wollten, überraschten uns unsere Hostelgspähnli. Mit ihnen feierten wir schliesslich Weihnachten. Und Silvester. Und es tat gut, Gleichgesinnte um uns zu haben; betreffe es Lebenseinstellungen, Politik oder gutes Essen. Bei einer letzten Wanderung zwischen Weihnachten und Neujahr fällten wir eine Entscheidung: Am 1. Januar buchen wir einen Flug. Die stete Ungewissheit, das lange Warten bei immer ändernden Reiserestriktionen und das damit verbundene Organisieren fühlten sich nicht länger richtig an.

Unsere letzte Nacht in Europa verbrachten wir am Strand. Am Grenzzaun des Flughafens, inmitten der Abflugschleuse. Vielleicht brauchten wir die Nähe der Flugzeuge, um uns mit ihnen anzufreunden. Als wir frühmorgens unser Zelt zusammenpackten und die wenigen hundert Meter zum Gate stapften; als wir abhoben und Europa hinter uns liessen, fühlten wir uns befreit.


Eigentlich war Gran Canaria alles in Einem zum Abschluss. Verlust und Gewinn. Hässliche Touristenorte und wunderschöne Landschaften. Verzagen und Hoffnung. Tränen und Parties. Und Lehrzeit: Je kleiner Europa aus der Luft wurde, desto kleiner wurde die Last, uns selbst etwas beweisen zu müssen. Davon aber später.



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